Schlangengrube | By : dime Category: German > Harry Potter Views: 4629 -:- Recommendations : 0 -:- Currently Reading : 0 |
Disclaimer: I do not own the Harry Potter book and movie series, nor any of the characters from it. I do not make any money from the writing of this story. |
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4. Riddle Manor, Hauptquartier der Schwarzen Schlangen
Out, out, brief candle!
Life's but a walking shadow, a poor player
That struts and frets his hour upon the stage
And then is heard no more.
It is a tale told by an idiot
Full of sound and fury
Signifying nothing.
- 'Macbeth', Shakespeare
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"Haha, dein Onkel ist fast in Ohnmacht gefallen, als du dich verwandelt hast!", meinte Draco vergnügt.
Harry grinste. Es war ein offenes und ehrlich amüsiertes Grinsen, nicht die kalte Maske, die er eben noch getragen hatte.
Schnell liefen die drei aus der Eingangshalle, dem einzigen Ort im Haus, an dem man apparierten konnte, hoch zum Versammlungsraum.
"Sag, Harry, was hast du mit dem Schlammblut vor?"
"Du sollst sie nicht so nennen!"
"Ohooo- sag bloß, du magst sie noch immer?", stichelte Draco mit gespielt oberflächlichem Interesse.
"Ach Draco," seufzte Harry, "du darfst mir schon glauben, was ich vorgestern über Mädchen gesagt habe."
"Und was könnte das sein?", erkundigte sich Severus neugierig. Er betrachtete Harry als eine Art Adoptivsohn und nahm großen Anteil an dessen - bisher scheinbar nicht existenten- Liebesleben.
Harry blieb stehen und ließ seine Augen langsam von oben bis unten über seinen Freund und Lehrer gleiten.
"Dass ich eher noch meinen finsteren Zaubertränkelehrer flachlegen würde als ein Mädchen", sagte er dann mit einem anzüglichen Grinsen.
Draco lachte. Severus dagegen war total überrumpelt. Das hatte er nicht kommen sehen.
"Harry... bitte, versteh mich nicht falsch, aber ich-" Irritiert brach er ab, als er sah wie seine beiden ehemaligen Schüler sich vor Lachen fast am Boden kugelten.
"Draco Malfoy, was ist daran so lustig?", fragte er gereizt.
"Nun, wir wissen doch alle, dass du nichts von Harry willst- sonst hätte der Einzelunterricht in den letzten Jahren bestimmt ganz anders ausgesehen!", grinste Draco.
Die Vorstellung löste bei Harry einen weiteren Lachanfall aus.
"Außerdem würdest du, wenn überhaupt, doch sicher auf mich stehen, nicht wahr, S-e-v-e-r-u-s ?", hauchte er dann. Harry hörte abrupt auf zu lachen und starrte Draco unruhig an. Was wiederum bei diesem zu einem erneuten Ausbruch lautstarker Heiterkeit führte.
"Ach, Harry, auch du darfst mir ruhig glauben, was ich dir vorgestern gesagt habe: genauso ehrlich, wie ich dich früher nicht leiden konnte, mag ich dich jetzt. Mehr als das. Ich habe vor, immer in deiner Nähe zu bleiben, nicht nur, weil dir meine ganze Loyalität gehört, sondern"- hier warf er dem verdutzten Severus einen Blick zu, der deutlich sagte: Lach nicht! - "sondern auch, weil ich... weil ich... weil ich dich liebe, Harry."
Harry sah ihn mit einem sanften Lächeln im Gesicht an. Dann umarmten sich die beiden Jungen und hielten einander fest, jeder einfach die Nähe des anderen genießend.
"Ich will niemanden außer dir, Harry."
"Danke, Dragon. Du weißt nicht, wie viel mir das bedeutet."
Severus sah irritiert von einem zum anderen.
"So, ihr wolltet mich also nur aufziehen?", fragte er pikiert. Die beiden Verliebten sahen ihn mit zwillingsgleichem frechem Grinsen an.
"Nun-", begann Draco.
"Es war nicht vollkommen aus der Luft gegriffen...", fuhr Harry fort.
"Wir lieben einander, aber-"
"-wir dachten, du könntest vielleicht mal wieder-"
"-unseren Lehrer spielen. Wir haben nämlich-"
"- ein kleines Problem."
"Wir haben, so traurig das auch klingt, -"
"-beide keine Ahnung, -"
"-wie das zwischen Männern-"
"Aufhören!", brüllte Severus. "Too much information. Außerdem klingt ihr wie die Weasley-Zwillinge." Er schüttelte sich vor Abscheu, was den beiden ein weiteres Lachen entlockte.
"Aber sagt mal, das meint ihr doch wohl nicht ernst?"
Draco sah ihn verwirrt an. "Wieso?"
"Wir finden dich attraktiv", fügte Harry hilfreich hinzu.
Severus konnte nicht umhin, sich geschmeichelt zu fühlen, denn er spürte, dass die beiden ihn nicht auf die Schippe nahmen, sondern es -trotz breitem Grinsen- ernst meinten. Dennoch.
"Es tut mir leid, aber ich kann mit Männern nichts anfangen. Ihr habt mich vielleicht noch nie mit einer Frau gesehen, aber das werdet ihr in Zukunft öfter, fürchte ich."
Er sah nicht wirklich aus, als täte ihm das leid.
"Ich bin schon seit acht Jahren mit Kandis zusammen, doch als Spion für Voldemort und Dumbledore lebte ich zu gefährlich, um unsere Beziehung öffentlich zu machen. Also habe ich mich nur ab und zu abends mit ihr treffen können...!"
"Aah!", machte Harry, "Sie hat dich also um deinen Schlaf gebracht- deswegen warst du morgens im Unterricht immer so miesepetrig!"
Miesepetrig? Severus sah Harry aufgrund der Wortwahl irritiert an, beschloss dann jedoch, es zu ignorieren und fuhr fort.
"Nachdem ich jetzt zudem eine Woche in Azkaban und somit für sie unerreichbar war-"
"Warum ist sie dich nicht besuchen gekommen?", fragte Harry neugierig.
Severus seufzte. "Sie kann sich die schlechte Publicity nicht leisten. Nächste Woche geht sie auf Tournee."
"Mooooment!", rief Draco. "Du meinst doch nicht etwa die Kandis von den Weird Sisters?!"
Severus sah seinen ehemaligen Schüler spöttisch an und freute sich über den deutlichen Eindruck, den die Identität seiner Freundin gemacht hatte. "Doch, Draco, eben jene."
Draco pfiff anerkennend durch die Zähne und auch Harry konnte sich ein ehrfürchtiges kleines "Wow." nicht verkneifen.
Kandis war talentiert, beliebt und sah gut aus. Und war vermutlich rund zehn Jahre jünger als Severus. Wie diese beiden zusammen gekommen waren, konnte er sich beim besten Willen nicht vorstellen.
Andererseits, wenn er ehrlich war... er selbst war noch jünger als Kandis, dennoch hätte er nichts dagegen gehabt, den Tränkemeister in Draco und sein Bett zu ziehen... Vielleicht lag es an der seidenweichen Stimme? Oder dem schmalen, aber eleganten Oberkörper, den er in der Schule immer unter diesem kantigen, hochgeschlossenen Zauberergewand verbarg? ...
"Nun, wie dem auch sei, meine Herren, ich bin jedenfalls schon vergeben."
"Hmm... Wärst du sonst für uns zu begeistern gewesen?"
"Nein."
Gespielt
verletzt sahen die beiden sich an. "Sind wir dir nicht gut
genug?", fragte Draco dann
weinerlich.
Severus schnaubte. Draco verbrachte viel zu viel Zeit mit Harry.
"Draco, ich kenne dich, seit du ein Baby warst. Ich betrachte dich beinahe als eine Art Sohn. Also würde es sich für mich anfühlen wie Inzest."
"Oh..."
"Und Harry: Ich habe dich schon zu oft unter Alpträumen oder dem Cruciatus stöhnen gehört. Ich glaube, das Geräusch wird mir immer unangenehm sein. Wenn du es also nicht gerade unter einem aktiven Silencium tun willst, sehe ich wenig Chancen..."
"Oh", machte auch Harry. So ungewöhnlich die Gründe auch sein mochten, irgendwie leuchteten sie ein.
"Du bist mein Harry, das stimmt schon; auch du bist mir fast wie ein Sohn ans Herz gewachsen und ich werde dich immer beschützen; aber aus eurem Bett haltet mich bitte schön heraus!"
Stille.
Draco riss sich als erster wieder aus seinen Gedanken.
"Zurück zum Thema. Was hast du mit Granger vor, und warum soll ich sie nicht Schlammblut nennen, wenn sie doch eins ist?"
Harry schaute ihn finster an.
"Auch wenn ich vielleicht der neue Dunkle Lord bin, habe ich nichts gegen Muggel, abgesehen von denen, die ich persönlich kenne. Es gibt mehr Zauberer als Muggel, die ich nicht leiden kann. Also sehe ich keinen Grund für Diskriminierung- nicht mal bei einer besserwisserischen Zicke wie Miss Hermine Granger."
Draco lachte- das war deutlich.
"Was ich mit ihr vorhabe, solltest du dir eigentlich denken können. Immerhin hast du mir geholfen, den Spruch zu lernen."
"Welchen Spruch?" Wieder ärgerte sich Severus, dass er in seiner Zeit in Azkaban so viel verpasst hatte.
"Den Homorphus", antwortete Harry ruhig, sich der Auswirkung, die seine Antwort auf Severus haben würde, wohl bewusst. Er wurde nicht enttäuscht.
"Homorphus?!?", krächzte Severus. "Harry, woher weißt du von diesem Fluch?"
"Ich habe ihn in einem vergilbten Buch über Zeitmagie gefunden. Warum er gerade darin erwähnt wird, ist mir ein Rätsel... aber ich fand ihn sehr nützlich und habe ihn mir für später gemerkt. In den letzten Tagen ist er mir wieder eingefallen und ich habe angefangen, ihn zu üben. Dracos Erfindung, mit der man die Richtigkeit eines Zaubers überprüfen kann, ohne ihn tatsächlich auf ein Zielobjekt anzuwenden, war dabei ungemein praktisch.
Er ist jedoch nicht ganz einfach, weshalb ich eine Weile brauchte, bis ich ihn konnte. Ist immerhin fortgeschrittene Dunkle Magie."
"Als hätte dich das jemals abgehalten!", scherzte Draco.
"Wie wahr. Nun, das Buch hatte ich in dem Antiquariat in Hogsmeade gefunden, als Autor war nur 'K.R.' angegeben, keine Ahnung, wer das ist...
Ich war im letzten Schuljahr sehr oft in diesem Laden, da ich nur noch in Slytherin Freunde hatte, meine Abende aber im Gryffindorturm verbringen musste. Die einzige Rettung vor Selbstmord aus Langeweile waren Bücher... Ich glaube, 'Mione war gar nicht glücklich, dass ich sie dadurch in den NEWT-level Tests in jedem Fach übertroffen habe."
Er grinste selbstgefällig.
"Gut, jetzt weiß ich, woher du das Buch hast; aber was willst du mit dem Spruch? Soviel ich weiß, erlaubt er dir, die gesamten Erinnerungen und alles Wissen eines Menschen in dir aufzunehmen; aber es sollen schon Menschen deswegen wahnsinnig geworden sein, weshalb der Homorphus inzwischen auch verboten ist.
Ich glaube, Voldemort hat ihn ein paar Mal zu oft angewendet, und schau dir an, was aus ihm geworden ist! Das sind Grangers Erinnerungen doch wohl kaum wert, oder? Zumal da du sie ja, wie du selbst soeben sagtest, am Ende übertroffen hast."
Severus war deutlich anzusehen, dass er mit Harrys Plänen überhaupt nichts anzufangen wusste.
Doch Harry war gerne bereit, es ihm zu erklären. "Severus, ich habe herausgefunden, dass der Homorphus in beide Richtungen funktioniert."
Während Severus diese Nachricht verdaute, öffnete Harry die Türe zum Versammlungsraum, den sie inzwischen erreicht hatten. So blieb keine Zeit für weitere Fragen, denn drinnen saß, umringt von mehreren Zauberern mit gezückten Zauberstäben, der Gegenstand ihrer Diskussion.
Harrys Schlangen unterschieden sich deutlich von den früheren Todessern. Sie trugen zwar ebenfalls schwarze Umhänge, doch die Kapuzen und Masken fehlten.
Sowas erinnerte Harry zu sehr an Voldemort, an Templer oder den Ku-Klux-Klan. Er war sich noch immer nicht ganz sicher, ob sein 'Orden' nach Vollendung seiner Rache weiter bestehen würde und welche Ziele er verfolgte, doch er wusste schon jetzt, dass er niemals wie seine Vorgänger einen Krieg gegen Unschuldige führen wollte. Also sollten die Diener dieses Dunklen Lords auch anders aussehen!
Und das taten sie.
Ganz wie ihr Anführer mit seinen gefärbten Strubbelhaaren, seiner Muggelkleidung und dem Blick, der von einem Moment zum anderen von wütendem Funkeln zu vergnügtem Grinsen wechseln konnte, machten auch sie einen ausgefallenen und mehr als unorthodoxen Eindruck.
Zu den schwarzen Umhängen trugen sie Sonnenbrillen und Muggelkleidung. Einige hatten sich außerdem grüne oder silberne Bandanas mit schwarzem Schlangen-, Krähen-, Wolfs- oder Phoenixmotiv um die Stirn gebunden. Man sah, dass sie zusammen gehörten, doch gleichzeitig blieb auch die Individualität eines Jeden gewahrt. Genau, wie Harry es sich gewünscht hatte.
"Zoltan, Blaise, Dean, ich danke euch!", rief Harry in die Runde.
Die schwarzgewandeten Gestalten nahmen die Sonnenbrillen ab und grinsten ihn vergnügt an. Außer den Angesprochenen standen da auch Pansy, Millicent, Percy, Luna, Remus, Oliver, Tonks und einige mehr.
"Gab es Probleme?"
"Nein, sie war allein zu Hause", antwortete Dean. "Was glaubst du, wie sie reagiert hat, als wir ihr Zimmer betraten."
"Lass mich raten", meinte Harry trocken, "Sie war am Lernen und hat alles um sich herum vergessen. Sie hat ihr Buch erst losgelassen, als sie es wegen eines Schockzaubers nicht mehr halten konnte. Stimmt's?"
Die Slytherins in der Runde schienen beeindruckt, während die Gryffindors nur müde lächelten.
"Es ist doch schön, wenn jemand so berechenbar ist."
Alle richteten ihre Blicke nun auf die junge Frau, die auf dem Boden kniete und den Kopf gesenkt hielt, sodass ihr Gesicht hinter ihrer langen Mähne braunen Haares verborgen war.
"Hallo, 'Mione", grüßte Harry ruhig. Seine Stimme war weder wütend noch spöttisch, sondern komplett ausdruckslos.
Noch immer hielt die junge Frau vor ihm den Kopf gesenkt.
Harry war verwirrt. Er hatte erwartet, dass sie ihm sofort mit wüsten Beschimpfungen an die Kehle gehen würde, bereit, wenn nötig kämpfend unterzugehen. Hauptsache, sie hatte Recht.
"Habt ihr ihr irgendwas getan?", fragte Harry irritiert.
Dean wusste sofort, was Harry meinte. Auch er war von Hermines Verhalten gewaltig irritiert.
"Nein, Harry. Wir haben sie nur eingesammelt und, wie du gesagt hattest, eine schwarze Feder auf dem Bett hinterlassen. Dann sind wir mit ihr hierher gekommen und haben den Zauber gelöst.
Zuerst wollte sie uns alle verfluchen, merkte aber bald, dass sie ohne Zauberstab absolut hilflos war. Dann versuchte sie, wie ein Muggel die Fäuste sprechen zu lassen, hatte jedoch scheinbar vergessen, dass sie über dem Lernen nie viel Zeit für Sport gehabt hatte und selbst einem einzigen von uns schon gnadenlos unterlegen gewesen wäre. Anschließend versuchte sie, mit uns zu reden, fragte uns, für wen wir arbeiteten und was wir von ihr wollten. Wir sagten es ihr.
Daraufhin wurde sie plötzlich still. Seitdem ist sie so."
"Wie lange ist das jetzt her?"
"Nun, sie verfiel gerade in Lethargie, als ich dich angerufen habe, also so etwa eine halbe Stunde..."
"Gut."
"Harry, ich hoffe, wir haben nichts falsch gemacht?", fragte Blaise ein wenig nervös.
"Unsinn. Aber, wieso bist du so nervös? Du erwartest von diesem Dunklen Lord hier"- dabei zeigte er sich wie eine anime-Figur auf die Nase und grinste dümmlich- "doch hoffentlich keine Bestrafung, wenn etwas schief geht, oder?"
Bei Harrys kleinem Theater musste Blaise lachen- wie auch der Rest der versammelten Schlangen. Harry schmunzelte. Sie waren schon ein seltsamer kleiner Verein.
"Tja, ich sollte wohl langsam herausfinden, was mit unserem Gast los ist, hm?"
Er beugte sich vor und legte eine Hand unter Hermines Kinn, um es sanft nach oben zu drücken. Hermine wehrte sich nicht; sie hob langsam den Blick. Als ihre Augen sich trafen, machte Harry einen überraschten Schritt zurück.
Hermines Augen waren voll tiefstem Schmerz. Tränenspuren glitzerten auf ihren Wangen, der Mund war zu einer zitternden, schmalen Linie zusammengepresst.
Das hatte er nicht erwartet. Wo war denn ihr Gryffindormut geblieben?
Ein wenig verwirrt schaute er in die Runde. Die Schlangen sahen ihn ratlos, aber auch sehr unbekümmert an. Ihnen konnte es egal sein, ob Hermine Granger nun vor Wut schrie, vor Angst heulte oder gar nichts tat. Sie war hier, weil sie sich Harrys Rache verdient hatte, und wenn ihr das klar geworden war und sie sich fürchtete, war das auch gut.
Nur Remus Lupin und Severus verstanden, was gerade in Harry vorging.
Remus kannte Harry schon länger etwas näher als die Slytherins, mit denen er sich erst in den letzten zwei Jahren angefreundet hatte, oder Luna, mit der tiefschürfende Gespräche allgemein schwierig waren. Remus hatte sich Harry vor zwei Tagen erst angeschlossen. Harry war misstrauisch gewesen, da Remus an der Anklage gegen Severus beteiligt gewesen war, doch Remus versicherte ihm, dass ihm das mittlerweile leid täte und er in keiner Weise an Harrys Einlieferung ins St. Mungos beteiligt gewesen war. Oliver bestätigte das. Als Harry dann einen blassen schwarzen Phoenix auf Remus Arm entdeckte, glaubte er dem Werwolf und nahm ihn mit Freuden bei den Schwarzen Schlangen auf.
Auch Severus war ihm während der vielen gemeinsamen Stunden in Okklumentik und den Dunklen Künsten etwas näher gekommen und konnte sich denken, was Harry zu schaffen machte.
Die anderen kannten Harry größtenteils nur oberflächlich und hatten sich ihm vor allem angeschlossen, weil sie das Verhalten der Zaubererwelt ihm gegenüber generell verurteilten. Erst in den letzten Tagen hatten sie hin und wieder Einblicke in das sehr beunruhigende Seelenleben des Retters der Zaubererwelt erhalten. Es hatte sie überzeugt, dass sie die richtige Wahl getroffen hatten, und nach und nach war auch auf ihren Armen von selbst der schwarze Phoenix erschienen.
Harrys Schrei im Krankenhaus schien tatsächlich eine mächtige Kraft aus alter Zeit beschworen zu haben, denn nicht einmal Voldemorts Zeichen war von selbst erschienen; er hatte es seinen Anhängern persönlich einbrennen müssen.
Es war kein Zeichen des Vertrauens gewesen, sondern eines der Unterwerfung; und es hatte sich bis zu seinem Tod nicht mehr löschen lassen. Harrys Zeichen dagegen, da war er sich sicher, würde verschwinden, wenn jemand sich ihm nicht mehr verpflichtet fühlte und ihm die Loyalität offen oder heimlich aufkündigte.
Wirklich, ein interessantes Stück wilde Magie.
Remus, Severus und Draco beobachteten besorgt, wie Harry vor seiner ehemaligen Freundin und Mitschülerin stand und deutlich nicht wusste, was er mit ihr anfangen sollte.
Sein Dilemma war sehr simpel: Er hatte Rache gewollt, dafür, dass sie ihm immer das Leben schwer gemacht hatte; ihn mit seinen Problemen zu Dumbledore geschickt hatte, der ihn nur ausnutzte; ihm seine klare Überlegenheit in Verteidigung gegen die Dunklen Künste und sein Talent im Fliegen und einigen anderen Dingen geneidet hatte; ihn von den Slytherins ferngehalten und diese verteufelt hatte; nur um ihn schließlich selbst im Stich zu lassen, weil ihr Freund mal wieder auf Harry neidisch war.
Und immer hatte sie von ihm verlangt, dass er für Ron und sie selbst Verständnis haben sollte, ohne ihn selbst jemals zu verstehen.
Er hatte sich vorgestellt, wie sie ihn, wie immer, wütend aller möglichen Dinge beschuldigte und verlangte, dass er ihren Blick auf die Dinge verstehen sollte; dann hätte er ihr ein Mal in seinem Leben richtig die Meinung sagen können.
Aber Hermine schrie und fluchte nicht. Sie sah auch nicht wütend aus.
Sie sah zerbrochen aus, verloren; zum ersten Mal schien sie einen Geschmack dessen zu bekommen, was Harry sein ganzes Leben lang hatte erfahren müssen: die Ungerechtigkeit des Lebens und der Menschen, die einem immer das nimmt, was einem am wichtigsten war.
Und plötzlich verstand Harry, was Hermine in diesen Zustand versetzt hatte.
Ron.
Zoltan, Blaise und Dean waren erst aufgebrochen, als er, Draco und Severus mit Ron zu den Dursleys unterwegs gewesen waren. Genug Zeit, dass jemand Hermine über Rons Tod hätte informieren können.
Jetzt wurde ihm klar, dass sowohl er als auch Dean falsch gelegen hatten: Hermine war nicht wegen ihrer Bücher vollkommen in ihrer eigenen Welt gefangen gewesen, als man sie gekidnappt hatte. Sondern wegen Ron. Die Bücher hatte sie vermutlich nicht mal wahrgenommen.
"Du hast Ron umgebracht."
Ihre Stimme zitterte nicht. Sie war genauso ausdruckslos, wie Harrys es zuvor gewesen war.
"So scheint es."
Harry hörte, wie Percy hinter ihm entsetzt nach Luft schnappte.
"Draco", sagte er.
Er drehte sich nicht um, sondern sah weiter Hermine an, während Draco Percy aus dem Saal führte um ihm schnell den tatsächlichen Stand der Dinge zu erklären.
Percy war erst zu den Schlangen gestoßen, als Harry schon mit den anderen bei den Dursleys war; seine Anwesenheit hier hatte Harry jedoch nicht beunruhigt, da er beim Betreten des Zimmers den Phoenix auf seinem Arm hatte sehen können.
"Wie konntest du nur, Harry Potter?", fragte Hermine. Sie flüsterte jetzt; bei den letzen Worten brach ihre Stimme. Neue Tränen bahnten sich den Weg ihre Wangen hinunter.
"Ich weiß nicht, weshalb du überrascht bist, 'Mione", sagte Harry nun bewusst hart. "Du und Ron habt mich verraten. Ihr wart meine ersten Freunde. Nicht meine ersten Zaubererfreunde, sondern die ersten Freunde, die ich jemals hatte. Ihr habt mich glauben lassen, dass ich auch ein Recht auf Freundschaft, vielleicht sogar auf Liebe habe. Ich habe euch vertraut. Und ihr habt mich aus purer Selbstsucht, aus Neid, fallen lassen.
Meine Welt war danach noch ein Stückchen grauer als vor Hogwarts, denn ich wusste jetzt, was ich in meinem Leben alles nicht hatte; zuvor hatte ich es nur geahnt. Es tat weh, doch ich fand mich schließlich damit ab und lebte weiter- auch wenn die Versuchung groß war.
Weißt du, was mich am Leben gehalten hat? Immer wieder?
Mein verdammtes Pflichtgefühl. Immerhin war ich ja der Einzige, der Voldemort erledigen konnte, nicht wahr?
Ich zweifle heute noch, ob das wirklich so stimmte... Irgendwann fand ich sogar wieder Freunde. In Slytherin. Und weißt du was, 'Mione? Ich vertraue ihnen. Ihre Freundschaft ist schwerer zu erlangen, aber sie sind treu.
Etwas, das Gryffindors offensichtlich fehlt, obwohl sie sich so gerne damit brüsten. Sie haben zu mir gehalten, selbst dann, als Molly Weasley ihren Kreuzzug gegen Severus und mich gestartet hat.
Ich bin nicht verrückter, als ich es vor sieben Jahren war, als du mir deine Freundschaft angeboten hast. Und ohne Severus Extra-Unterricht wäre ich nie in der Lage gewesen, Voldemort zu besiegen, egal, wie viele Cruciatus mir Dumbledore zur Abhärtung verpasst hat."
Ein leises Raunen ging durch den Kreis der Schlangen. Noch immer kannten nur wenige die ganzen Fakten.
Hermine indes schaute ihn weiter nur starr aus ihren trüben Augen an.
"Hermine, du hast in den sieben Jahren, die wir uns kennen, immer wieder Verständnis von mir verlangt. Ich sollte Ron verstehen, dich verstehen, immer sollte ich mich deiner Meinung anpassen. aber nicht einmal hast du wirklich versucht, mich zu verstehen. Du hast mich verurteilt und mir die Freundschaft gekündigt, ohne mich jemals wirklich gesehen zu haben. Dabei bist du doch für so viele Jahre die klügste Hexe unseres Jahrganges gewesen.
Aber vermutlich hast du Recht mit dem, was du in unserem ersten Schuljahr gesagt hast: Bücher. Das ist alles, was du verstehst. Von Menschen hast du keine Ahnung. Sonst wüsstest du, dass ich niemals einen Menschen töten würde.
Und du wüsstest, dass ich in meiner Abschlussrede nur aus Spott gesagt habe, mir sei das Leben vieler tausender Menschen egal. Mir ist jedes Leben wichtig, und ich wollte nie eines beenden.
Vor Voldemorts Tod hatte ich Alpträume aus Angst, er könnte mich oder jemand anderen töten, ohne dass ich es verhindern kann; ich wünschte, er wäre tot. Doch er tat mir nicht den Gefallen, einfach zu sterben.
Ich hätte mit den Alpträumen leben können, wenn mich das davor bewahrt hätte, zum Mörder zu werden. Die Zaubererwelt jedoch ließ mir keine Wahl. Seitdem habe ich Alpträume, weil ich ihn getötet habe."
"Und trotzdem hast du Ron umgebracht."
Harry stöhnte entnervt auf.
"Wozu rede ich mir eigentlich den Mund fusselig? Es ist immer dasselbe mit dir, wenn ich zeige, wer ich wirklich bin, hörst du nicht zu. Hermine Granger, ich habe Ron nicht umgebracht, genauso wenig wie es eine meiner Schlangen getan hat. Er lebt, Hermine."
Hermine blinzelte. Ihr ganzes Wesen drückte Misstrauen aus, doch tief in ihren Augen glomm ein Funke Hoffnung auf.
"Wie könnte ich dir glauben?", fragte sie dann, die Stimme immer noch vorsichtig neutral. "Mrs. Weasley hat gehört, wie du den Unverzeihlichen gesprochen hast."
"Gesprochen, ja", sagte Harry. "Ich bin sicher, Rons Kopfkissen hat schrecklich darunter gelitten."
Die Schlangen lachten erleichtert auf. Außer Draco und Severus hatte niemand gewusst, wohin Harry mit Ron verschwunden war, nachdem er ihn entführt hatte, und für einen Moment hatten sie Hermine geglaubt, als diese behauptet hatte, Harry habe ihn getötet.
Niemand hätte es Harry zum Vorwurf gemacht, doch so hatten sie ihn nicht eingeschätzt. Soviel sie wussten, wollte er zwar Rache, aber er wollte kein Blut. Sie waren froh, dass sich das nicht geändert hatte.
"Ronald genießt momentan die zweifelhafte Gastfreundschaft meiner Muggel-Verwandten.
Für alle, die die Geschichten tatsächlich noch nie gehört haben", wandte er sich nun an die Allgemeinheit, " ich kann euch versichern, dass das eine angemessene Strafe für alles ist, was er mir jemals angetan hat."
Einige nickten, doch viele waren erstaunt.
"Harry", fragte Oliver Wood, "sind deine Verwandten wirklich so schlimm?"
Harry zuckte mit den Schultern und meinte gelassen: "Schlimmer."
Hermine indes rollte ihre steifen Schultern; die Anspannung wich aus ihrem Körper und sie murmelte: "Und ich habe mir Sorgen gemacht... Dabei ist er nur bei den Dursleys."
Harry fuhr mit einem Ruck herum.
"Nur? Siehst du, Hermine, genau das meine ich: Du hast keine Ahnung von mir und meinem Leben. Wie konntest du dir jemals anmaßen, mir zu sagen, ich solle dich verstehen?"
Hermine stoppte ihr Schulterrollen und sah Harry überrascht an. Was hatte er nur?
"Ich hatte es mir zwischenzeitlich beinahe anders überlegt, doch jetzt bin ich mir sicher, dass ich das tun sollte, selbst auf die Gefahr hin, dass du verrückt wirst."
Hermine schaute ihn geschockt an; wie auch einige andere.
"Was meinst du? Was hast du vor?", fragte sie nervös.
Harry zückte seinen Zauberstab.
"Du hast im letzten Schuljahr oft gesagt, dass ich dir fremd vorkomme, dass du mich nicht mehr verstehst. Du hast Mrs. Weasley zugestimmt, als diese mich für verrückt erklärte.
Ich werde dir zeigen, wie verrückt ich wirklich bin. Ich werde dafür sorgen, dass du mich verstehst. In ein paar Minuten, Hermine, wirst du ganz genau wissen, was in meinem Kopf vorgeht. Du bist stark, vielleicht überstehst du es sogar."
Hermine schaute ihn aus weit aufgerissenen, verwirrten Augen an. Wovon sprach er nur?
Als Harry den Zauberstab auf seine Schläfe richtete und ihr die linke Hand an den Kopf legte, wagte sie nicht, sich zu rühren.
"Bist du sicher, dass du das tun willst, Harry?", fragte Severus.
Dieser Kommentar erntete viele erstaunte Blicke, denn der sonst so unnahbare Tränkemeister klang eindeutig besorgt.
Harry schaute ihn kurz an, doch er gab keine Antwort. Severus seufzte und verschränkte ergeben die Arme vor der Brust. Wenn Harry das hier wollte, würde er ihn nicht aufhalten.
Harry sprach leise, aber deutlich: "Homorphus."
Und Hermine schrie.
Es war ein gellender Schmerzschrei, der mehrere Minuten andauerte und sich gegen Ende in Lautstärke und Höhe steigerte. Dann senkte Harry den Zauberstab und Hermines Schrei brach abrupt ab. Sie sackte in sich zusammen und begann hemmungslos zu schluchzen.
"Harry, was passiert da?", fragte Remus geschockt.
Harry selbst war von dem Zauber erschöpft und ging schleppenden Schrittes auf Draco zu, der mittlerweile mit Percy zurückgekehrt war. Der Blonde nahm ihn sofort in eine liebevolle Umarmung und hielt ihn fest, bis er sich wieder gefangen hatte.
An Harrys Stelle antwortete Severus.
"Harry hat ihr seine kompletten Erinnerungen übertragen, alles, was er je erlebt, gesehen und gefühlt hat.
Ein sehr willensstarker Zauberer kann die Erinnerungen eines anderen beinahe unbeschadet aufnehmen und verarbeiten, er wird nur erschöpft sein und viel Schlaf brauchen. Hier haben wir es aber nicht nur mit einer sehr jungen und unerfahrenen Hexe zu tun, sondern obendrein mit einem Haufen höchst ungewöhnlicher und vermutlich sehr intensiver Erinnerungen.
Wie es scheint, ist einiges an schmerzhaften Erinnerungen dabei, mit denen Miss Granger nicht zurecht kommt. Sie durchlebt jetzt wie im Zeitraffer alles, an das sich Harry seit seinen ersten Lebensjahren erinnert. Dann hängt es davon ab, ob ihr Gehirn stark genug ist, die fremden Erinnerungen und Gefühle in einer Ecke zu versperren und nur bei Bedarf hervor zu rufen.
Wenn sie das schafft, kann sie das neu gewonnene Wissen nutzen und alles, was sie braucht, ist eine Menge Schlaf, um sich von der Anstrengung der Übertragung zu erholen. Sollte es ihr jedoch misslingen, können die Auswirkungen von leicht gespaltener Persönlichkeit bis zu totalem Verlust der eigenen Identität führen, mit anderen Worten, sie wird mehr oder weniger verrückt."
Die versammelten Schlangen starrten erst Severus, dann Harry und Hermine geschockt an. Abgesehen von Hermines Schluchzen war nichts zu hören; alle waren sprachlos ob der Auswirkungen, die Harrys Zauber haben konnte.
Plötzlich sprang Hermine auf und schrie in Panik: "Aber ich war es nicht!!!"
Sie sah sich gehetzt um, ohne wirklich etwas von ihrer Umgebung wahrzunehmen, bis ihr Blick auf den alten Schrank in einer Ecke des Zimmers fiel. Mit wildem, gehetztem Blick rannte sie zu dem Schrank, kroch hinein und zog die Türe hinter sich zu.
Blaise, Millicent, Pansy und die anderen sahen sich verständnislos an.
Harry jedoch ging langsam auf den Schrank zu und sagte leise, aber deutlich: "Du kannst dich nicht im Schrank verstecken. Onkel Vernon hat den Schlüssel."
Diejenigen Schlangen, welche ihn hörten, waren nun erst recht verwirrt. Harry öffnete den Schrank und sie sahen, dass sich Hermine in der Ecke zusammengekauert hatte und angsterfüllt auf die Schranktüre starrte.
So plötzlich, wie die Szene begonnen hatte, endete sie auch wieder.
Hermines Augen verschleierten sich wieder und sie begann erneut unkontrolliert zu schluchzen, als Harrys Erinnerungen in ihrem Kopf weiter wirbelten.
Ein zweites Mal stand sie ruckartig auf, doch diesmal war ihr Blick nicht gehetzt, sondern gefasst und entschlossen. Sie ging zum Fenster und öffnete es. Harry stand daneben, für den Fall, dass er die Erinnerung, die sie gerade durchlebte, richtig erraten hatte. Und tatsächlich hob sie wenig später ein Bein, um aufs Fensterbrett zu steigen.
Sanft drückte er sie wieder zurück und schloss das Fenster. "Wir sind hier nur im zweiten Stock, genau wie im Ligusterweg. Du wirst dir nur das Bein brechen und trotzdem weiterleben."
Draco zischte, als ihm klar wurde, was Harry meinte.
"Und Onkel Vernons Wut nachher ist auch nicht lustig, also lass es lieber."
Kaum hatte er das gesagt, da änderte sich Hermines Gesichtsausdruck. Die Entschlossenheit wich Angst, dann Schmerz, und schließlich dumpfer Schicksalsergebenheit.
Wieder war Hermines Schluchzen das Einzige, das im Raum zu hören war, während auch diese besonders deutliche Erinnerung verblasste und eine Reihe weniger klarer Erinnerungen an ihrem inneren Auge vorbeizog.
Ein drittes Mal stoppte das Schluchzen. Alle warteten gebannt, welche schreckliche Erinnerung diesmal über sie hereinbrechen würde.
Völlig unvermutet breitete sich auf Hermines Gesicht ein Lächeln aus, sie wirkte total glücklich. Viele wandten sich direkt zu Harry um, denn sie hatten inzwischen begriffen, dass dies hier für ihn eine Art Vergangenheitsbewältigung war und seine Kommentare erklärten, welche Situation die jeweiligen Gefühle auf Hermines Gesicht ausgelöst hatte.
Auch diesmal dauerte es nicht lange, bis Harry die Erinnerung einordnen konnte. Dieses Mal war es besonders einfach gewesen, denn wirklich glücklich hatte er sich in seinem Leben nur sehr selten gefühlt.
Teilnahmslos erklärte er dem freudestrahlenden Mädchen: "Sirius wird dich nicht bei sich wohnen lassen. Dank Snape und Fudge muss er weiter flüchten. Und wenn er endlich offiziell unschuldig ist, wird Dumbledore dir verbieten, zu ihm zu ziehen. Später wird er dich verraten."
Langsam verblasste das Lächeln auf Hermines Gesicht und wieder verfiel sie in hemmungsloses Schluchzen.
Draco und Severus wechselten einen langen Blick; sie hatten nicht gewusst, wie sehr Harry an seinem Paten hing; oder vielmehr, gehangen hatte, bevor dieser sich vor zwei Wochen Molly Weasley angeschlossen hatte. Dieser Verrat musste ihn sehr geschmerzt haben. Doch es blieb ihnen keine Zeit, weiter darüber nachzugrübeln.
"CEDRIC!!!", schrie Hermine aus Leibeskräften.
Dann begann sie zu murmeln: "Es ist meine Schuld. Ganz allein meine Schuld. Ich bin Schuld. Nur ich. Meine Schuld. Meine..."
Diesmal brauchte niemand eine Erklärung.
Bevor Harry etwas sagen konnte, war Draco hinter ihn getreten und hatte ihn fest umarmt. "Es ist nicht deine Schuld, Harry. Voldemort hat ihn umgebracht, nicht du. Egal, was Dumbledore dir immer vorgebetet hat, du kannst nicht jeden retten."
Harrys ehemalige Mitschüler waren entsetzt. Hermine tat hier das, was Harry sich nie erlaubt hatte: sie zeigte offen, wie sehr er gelitten hatte. In Hogwarts hatte man allgemein immer angenommen, dass Harry ein besonders dickes Fell hatte und deshalb mit all den Schicksalsschlägen fertig geworden war, die das Leben ihm beschert hatte. Deshalb war es vielen auch so leicht gefallen, ihn ohne Rücksicht auf seine Psyche zu umjubeln oder zu verurteilen, je nachdem, was der Tagesprophet über ihn schrieb: sie wussten ja, er würde es sich nicht so zu Herzen nehmen.
Jetzt sahen sie, dass Harry genauso gelitten hatte, wie jeder andere es an seiner Stelle auch getan hätte.
Und weiter ging es.
Mit jeder Erinnerung, die Hermine durchlebte, waren die Umstehenden verstörter. Selbst diejenigen, denen er in den letzten beiden Jahren näher gekommen war und die sich eingebildet hatten, ein wenig über Harry zu wissen, mussten einsehen, dass er ihnen nicht mal die Oberfläche seines Innenlebens gezeigt hatte. Sie hatten nur eine andere Maske gesehen, die der Wahrheit ein bisschen näher kam als diejenige, welche er dem Rest der Welt zeigte.
Wieder strebte Hermine dem Fenster zu. Harry löste sich aus Dracos Umarmung und folgte ihr, um das Fenster zuzuhalten.
"Das hatten wir schon. Allerdings ist es diesmal wesentlich höher und Madam Pomfrey wird das ganze Wochenende damit zubringen, dich wieder zusammen zu flicken. Dumbledore wird dafür sorgen, dass niemand davon erfährt, also kommt dein Hilfeschrei auch diesmal nicht an."
Remus knurrte wütend.
"Und am Montag wirst du so neben dir stehen, dass die Slytherins dich fertig machen wie noch nie."
Blaise und Millicent sahen sich schuldbewusst an.
"In Wahrsagen wirst du dir wünschen, Trelawney würde endlich aufhören, leere Versprechungen zu machen. Und abends darfst du dann wieder zuhören, wie Ron und Hermine sich über Kleinigkeiten streiten und dich dabei komplett vergessen."
Percy funkelte das Häuflein Elend am Boden wütend an. Sie war mit schuld gewesen an Harrys Leiden. Doch dann dachte er an seine eigene Rolle in Harrys Leben und schämte sich, dass er über andere urteilen wollte.
Percys Grübeleien wurden unterbrochen, als Hermine mit einem spitzen Schrei zu Boden ging. Dann begann sie unkontrolliert zu zucken und sich in offensichtlichen Schmerzen zu winden.
Wieder trat Harry vor. "Reiß dich zusammen. Das ist nur eine Übung. Wenn du nicht so tust, als spürtest du nichts, geht es morgen genauso weiter. Es mag total sinnlos sein, aber Dumbledore hat die Weisheit ja mit Löffeln gefressen, also musst du da jetzt durch. Es werden schon ein paar Nervenzellen übrig bleiben."
Ein kollektiver Aufschrei folgte dieser Aussage. Alle hatten Harrys Abschlussrede entweder direkt oder über Dritte gehört, doch niemand hatte genau verstanden, was er mit seinem Vorwurf an McGonagall gemeint hatte. Während einige es für eine Metapher gehalten hatten, waren andere überzeugt gewesen, dass Professor Snape sich wohl einmal nicht hatte beherrschen können, als er Harry hatte nachsitzen lassen.
Niemand hätte jedoch vermutet, dass der Schulleiter selbst Harry regelmäßig mit dem Cruciatus belegt hatte. Es heute einmal von ihm zu hören hatte nicht gereicht; erst jetzt sickerte die Wahrheit so langsam ein.
Und weiter ging es.
Viele Erinnerungen später zeigte sich zum zweiten Mal ein nicht-schmerzvoller Ausdruck auf Hermines Gesicht. Sie saß am Boden, hatte ihre Beine umschlungen und lächelte ein leicht abwesendes, aber deutlich selbstironisches Lächeln.
"Hakuna Matata", sagte sie, und das Lächeln wurde einen Tick böser. Dean Thomas lachte trocken. Er war der Einzige, der sich mit Muggelfernsehen auskannte und das Zitat verstanden hatte. "Wenn die Welt dir den Rücken kehrt, dann kehr du der Welt auch den Rücken", fügte Harry mit einem schiefen Grinsen hinzu.
Hermine stand auf, breitete die Arme aus, als wären es Flügel- und fiel um. Harry konnte sie gerade noch auffangen, bevor sie auf den harten Fußboden aufschlug.
"Das mit der Animagusform müssen wir noch ein bisschen üben, was?", meinte er, jetzt etwas besser gelaunt.
Erneut bewegten sich die Erinnerungen in Hermines Kopf weiter und sie schluchzte unter der Anstrengung und unter den Eindrücken, die sie von Harrys verkorkstem Leben bekam.
Endlich aber ebbte das Schluchzen ab und sie sank langsam zu Boden, wobei sie von Harry und Dean gestützt wurde.
Für einen Augenblick wurden ihre Augen klar und sie blickte Harry an.
"Warum bist du nicht tot?"
Er erwiderte ihren Blick genauso ernsthaft.
"Man hat mich nicht sterben lassen."
Sie nickte kurz. Dann verlor sie das Bewusstsein.
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Einen Moment lang sprach niemand. Dann wurde allen bewusst, dass das Schluchzen nicht vollständig aufgehört hatte. Doch es kam nicht länger von Hermine.
Irritiert sahen sie sich um. Remus hatte zwar rote Augen, doch er hatte sich größtenteils im Griff. Auch die anderen waren zwar blass und teilweise standen ihnen Schock, Mitleid, Zorn oder auch Enttäuschung ins Gesicht geschrieben; Enttäuschung über die Menschen, die sie zu kennen geglaubt hatten und die sich Harry gegenüber als wahre Monster erwiesen hatten. Doch keiner der Anwesenden schluchzte.
Keiner der sichtbaren Anwesenden.
Nach und nach wandten sich alle der Türe zu. Dort, aus der Ecke neben der Türe, kam das Schluchzen. Zauberstäbe gezückt, bewegten sie sich langsam auf die Ecke zu. Harry trat mit ausgestreckter Hand nach vorne, bis er weichen Stoff unter den Fingern spürte. Mit einem Ruck zog er daran – und wich erschrocken zurück.
Er wusste nicht, was er erwartet hatte, doch es war sicher nicht Sirius Black, der mit gesenktem Kopf am Boden saß, seine Knie fest mit den Händen umschlungen hielt und heulte wie ein kleines Kind.
Doch noch bevor er auf diesen Anblick reagieren konnte, wurde er von Dean, Oliver und Tonks abgelenkt.
"Remus, was hast du denn für große Augen?"
"Und für eine große Nase?"
"Und für einen großen Mund?"
Rotkäppchen, ick hör' dir trappsen. Der Tag wurde immer besser.
"LUPIN!", brüllte Severus auch schon. "Sag jetzt BITTE nicht, dass du deinen Trank heute vergessen hast!"
Doch Lupin sagte gar nichts mehr, denn sein Mund war bereits komplett zur Schnauze mutiert; nur ein unwilliges Fiepen war zu hören.
Harry verdrehte die Augen, während die anderen zurückwichen. Schnell gab er eine Reihe von Befehlen.
"Pansy, Millicent, bitte kümmert euch um Hermine. Bringt sie ins Bett und passt auf, dass sie sich nicht umbringt, wenn sie wieder aufwacht. Die anderen, bitte entwaffnet Black und seht zu, dass er keinen Schaden anrichtet. Ich bringe Remus nach draußen. Wer möchte mitkommen?"
Er schaute fragend in die Runde.
Während die meisten ihn total entgeistert anstarrten, kam von Draco sofort die Antwort: "Ich, wenn's recht ist."
"Oh, das wird lustig!", jubelte Harry, sehr zum Unverständnis der übrigen Anwesenden.
"Ich weiß nicht, ob ich viel nütze bin, aber ich komme auch mit," ließ sich nun Severus vernehmen, "ich brauche ein bisschen frische Luft." Er warf einen abschätzigen Blick auf Sirius Black.
Harry rollte erneut die Augen, sagte jedoch nichts mehr, denn Remus hatte seine Verwandlung beendet.
Der Wolf beäugte bereits hungrig die Zauberer im Raum, deren Blicke nervös auf ihm ruhten.
Schon wollte er auf Blaise und Zoltan zu laufen- da stellte sich ihm ein anderer Wolf in den Weg. Er war groß, schwarz und er knurrte. Einen Augenblick später gesellte sich ein eleganter Jaguar zu dem schwarzen Wolf und fletschte ebenfalls bedrohlich die Zähne. Dann erklang ein Schrei über den Köpfen der Menschen und Tiere und mit heftig schlagenden Flügeln stieß ein großer Adler auf den Werwolf hinab. Er zerzauste ihm das Fell.
Der Werwolf zögerte.
Das Knurren des schwarzen Wolfes wurde lauter und der Jaguar fuhr ungeduldig mit den Krallen über den Boden. Das überzeugte den Werwolf. Er machte kehrt und verließ eilig den Raum. Die anderen drei Tiere folgten.
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A/N: Der Homorphus ist nicht meine Erfindung, sondern stammt aus KimRay's fanfiction "Der Herr der Zeit" (ausgesprochen lesenswert!).
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