Love changes Everything | By : Elbenstein Category: German > Books Views: 1498 -:- Recommendations : 0 -:- Currently Reading : 0 |
Disclaimer: I do not own the Forgotten Realms. I do not make any money from the writing of this story. |
Die Hinrichtung
war das Gesprächsthema auf den Straßen der Hauptstadt. So war es
auch kein Wunder, dass am nächsten Tag mehr als tausend Menschen sich auf
dem Marktplatz von Bryn Shander versammelten, um der Urteilsvollstreckung beizuwohnen.
Drizzt, der sich einen Platz durch die dichte Menschenmenge erkämpfte,
konnte nicht einmal mehr von Jarlaxle zurück gehalten werden. Vier stämmige
Männer der Stadtwache, stellten sich dem jungen Drow entgegen, indem sie
ihn fest an den Armen packten, bevor er auf das hölzerne Podest hechten
konnte, wo das Urteil vollstreckt werden sollte. Seine Augen waren geschwollen
und das Gesicht nass von Tränen. Der Dunkelelf hatte den letzten Tag und
die Nacht hindurch weder aufgehört zu weinen noch hatte er geschlafen.
Nicht einmal sein Drowfreund war in der Lage, sein Gemütszustand zu lindern.
Jarlaxle hegte Hass für die Menschen von Bryn Shander und Cassius, aber
er konnte offensichtlich nichts an der Situation ändern, die sich vor seinen
Augen abspielte, zumindest nicht ersichtlich. Die Bewohner hätten es auch
lieber gesehen, wenn der Drow auf dem schnellsten Wege verschwinden würde.
Sie akzeptierten ihn auch nur, weil er ein Freund von Drizzt Do’Urden
war.
Doch der immer so gewiefte Dunkelelf hatte eine Lösung für ihr Problem
gefunden. Zwei Stunden nach Mitternacht, nahm Jarlaxle seinen Teleportationsstab
zur Hand und traf sich mit dem Psioniker Kimmuriel Oblodra in Menzoberranzan.
Dieser schuldete ihm immer noch einige kleine Gefälligkeiten und so geschah
es auch in der letzten Nacht. Der Drow erfuhr, dass es durch einen kleinen Trick
möglich war, das Leben seines Freundes zu retten, doch es musste alles
innerhalb von sechs Stunden passieren, sonst würde jede Rettung für
den Menschen zu spät kommen. Die Person, die eine seltene Mischung aus
bestimmten Kräuter und geheimen Zutaten zu sich nehmen würde, würde
nach der ablaufenden Zeit wieder zu Bewusstsein kommen, bevor sie zuvor in einen
todesähnlichen Schlaf gefallen war, nur die Hilfe sollte rechtzeitig erfolgen.
Dabei würde es bei jedem den Anschein erwecken, dass der leblose Körper
tot wäre, das Herz und die Lunge wären dabei auf das Mindeste ihrer
Kraft hinabgesetzt. Des Weiteren waren sich auch Beide darin einig, dass wahrscheinlich
damit nur der Tod von Artemis aufgeschoben wurde. So war es der Psioniker, der
Jarlaxle zuerst drei Heiltränke überreichte und sich für den
nächsten Abend, an der Oberfläche im Grat der Welt, verabredete. Auch
wenn Kimmuriel es lieber gesehen hätte, dass der Mann tot wäre, konnte
er sich den Anweisungen seines Anführers nicht widersetzten. Keine Stunde
später kehrte Jarlaxle, zusammen mit einer kleinen Kräuterkugel in
seiner Tasche, fröhlich zurück nach Bryn Shander und freute sich bereits
innerlich auf den kommenden Morgen. Drizzt bekam von alle dem nichts mit.
Artemis
wurde gerade durch die dichte Menschenmenge geführt, umgeben von kräftigen
Stadtwachen. Als er auf dem erhobenen Podest stand, ließ der Mann den
Blick über die Menschen schweifen. Im Publikum entdeckte er den Zwerg Bruenor,
Catti-brie und Regis. Allesamt mit einem zufriedenen Lächeln auf den Lippen.
Unmittelbar neben ihnen sah er Drizzt und Jarlaxle. Zum ersten Mal, seit fast
zwei Tagen, fing er an, an seinem Plan zu zweifeln. Als er den jungen Elfen,
den er mehr als alles auf der Welt liebte, in diesem verzweifelten Zustand erblickte,
fühlte Artemis, dass er einen Fehler begangen hatte. Er würde ihn,
seinen Freund Jarlaxle und sogar die kleine Diana für immer verlassen und
es gab kein zurück mehr. Erst jetzt fing er an, sich gegen die festen Griffe
der Wachen zu währen, doch es war zu spät. Entreri bekam sein Hemd
vom Oberkörper gerissen und wurde mit dem Rücken zur Menge hin an
einen hohen Holzpflock angekettet. Mit seinem Gesicht schaute er direkt auf
die nackten Mauern der großen Ratshalle und in seinem Rücken konnte
er die hasserfüllten Blicke der Zuschauer förmlich auf seiner Haut
spüren.
“Halt!“, rief in dem Moment Drizzt zu dem Henker hinauf, der gerade
im Begriff war, seine Peitsche in Schwung zu bringen.
Überrascht schaute er auf den Drow hinunter und dann gleich darauf hinüber
zu Cassius, der keine fünf Fuß von dem angeketteten Mann stand.
“Was willst du noch Drizzt Do’Urden? Das Urteil wird vollstreckt
werden, daran führt kein Weg vorbei“, sprach der Stadtmeister so
laut, dass die umherstehende Menge auch jedes seiner Worte verstand.
“Ich möchte meinen Geliebten wenigstens verabschieden dürfen
… diesen Wunsch müsst ihr mir bitte gewähren“, sprach
der Waldläufer darauf und wand sich dabei wild hin und her, um aus dem
festen Griff der Wachen zu entkommen.
Cassius schaute ihn einen Moment fragend an, fand aber keinen Grund, wieso er
diese letzte Bitte nicht erfüllen sollte. Er nickte den vier Männern
zu, die sofort den Drow los ließen. Drizzt rannte hinauf und direkt auf
Artemis zu, der an seinen Fesseln hing, drehte ihn zu sich herum und umarmte
diesen. Als er im nächsten Moment in die Augen seines Geliebten schaute,
sah er dort die Tränen, die selbst Entreri nicht mehr zurück halten
konnte.
“Bitte verzeih’ mir“, flüsterte Artemis ihm leise entgegen.
Doch der junge Dunkelelf konnte nicht antworten, er hatte einen Kloß ihm
Hals. Außerdem wollte er stark bleiben, er wollte Entreri die Kraft geben,
die er jetzt gleich brauchen würde. So nickte er nur und streichelte mit
seinen Händen sanft das Gesicht von Artemis. Er beugte sich nach vorne
und gab dem Mann den er liebte einen langen, intensiven Kuss. Als sich die beiden
voneinander lösten, hörten sie plötzlich Jarlaxle reden.
“Ich möchte mich auch von meinem Freund verabschieden“, verkündete
der ältere Dunkelelf mit trauriger Stimme Cassius.
Dieser riss zum ersten Mal seine Augen weit auf, denn so was gab es noch nie.
Doch es gab auch wieder keinen Grund, dass er den Wunsch des schillernden Drow
ablehnen konnte.
“Na gut, wenn es sein muss, dann tut es allerdings gleich“, antwortete
der Stadtmeister.
So steckte sich Jarlaxle, im Bruchteil einer Sekunde die Kräuterkugel in
den Mund, schritt darauf durch die dichte Menschenmenge, direkt auf das Podest
und auf den angeketteten Entreri zu. Jarlaxle schaute im Vorbeigehen Drizzt
in seine nassen lavendelfarbenen Augen, die ihn mit einem verwirrten Blick anschauten.
Doch der ehemalige Söldnerführer verzog keine Miene und lief direkt
auf Artemis zu. Dabei schupste er zaghaft den jungen Drow beiseite und blickte
nun in die ebenfalls verwirrten Augen von Entreri.
Dann ging alles sehr schnell. Der Söldner beugte sich nach vorne und berührte
mit seinen Lippen, die seines völlig unvorbereiteten Freundes.
Artemis riss seine Augen noch weiter auf, als er auch schon im nächsten
Augenblick spürte, dass der Drow versuchte seinen Mund mit der Zunge zu
öffnen und ihm daraufhin eine kleine runde Kugel in den Mund schob.
Für alle Anwesenden schaute es so aus, als ob er dem Mann einen ebenfalls
so leidenschaftlichen Kuss gegeben hatte, wie Drizzt nur einige Augenblicke
zuvor, aber in Wahrheit war es die Kugel aus ganz speziellen Kräutern,
die der Drow in Entreri’s Mund schob.
Als sich Jarlaxle wieder von seinem Freund gelöst hatte, flüsterte
er Artemis zu, „cahallin abbil“ (Essen mein Freund).
Die Menschen auf dem Marktplatz, sowie Cassius, der Henker und Drizzt konnten
weder sehen noch verstehen, was der Söldner soeben getan hatte. Stattdessen
winkte Cassius nun zwei weitere Wachen zu sich, die Jarlaxle bestimmend von
dem Podest verwiesen, damit die Hinrichtung vollzogen werden konnte.
Drizzt war wieder damit beschäftig, sich erneut gegen die Wachen zu stemmen,
die ihn nach seinem Kuss wieder nach unten geführt hatten.
Es dauerte keine Minute mehr und Artemis, der der Anweisung seines Freundes
nachkam und diese Kugel aus Kräuter heimlich kaute und fast im Ganzen schluckte,
spürte den ersten Hieb auf seinem nackten Oberkörper. Er fühlte
die volle Wucht, als sich die sechs Striemen der Peitsche mit jeweils drei Knoten
an jedem Strang, sich in seine Haut brannten. Gleich darauf folgte schon der
zweite Hieb. Doch Entreri biss sich mit den Zähnen auf die Lippen.
Nach dem fünfundzwanzigsten Schlag der Peitsche konnte Artemis nicht mehr
an sich halten, er schrie aus Leibeskräften den Schmerz hinaus. Er spürte,
wie sich jeder Knoten und jeder Striemen sich in sein Fleisch schnitten. Wie
tausend kleine Nadelstiche kroch der Schmerz dabei immer mehr in die Wunden.
Nach weiteren zehn Schlägen war sein Rücken blutüberströmt
und an manchen Stellen war bereits die Haut vollständig abgelöst,
so dass die Peitsche direkt auf das Muskelgewebe traf.
Drizzt schrie ebenfalls seinen Schmerz heraus, „Aufhören, bitte ihr
dürft nicht weiter machen!“.
Aber es half nichts, stattdessen wurden die Griffe der vier Stadtwachen, die
ihn an beiden Armen festhielten nur noch heftiger. Er fühlte sich in einem
Alptraum gefangen, der nicht mehr aufhören wollte. Er riss und zerrte immer
wieder und versuchte an seine Krummsäbel in seinem Waffengürtel zu
kommen. Der junge Drow schaute auf das Schauspiel, was sich vor seinen Augen
abspielte und jeder Hieb, der den Rücken seines Geliebten traf, ließ
ihn augenblicklich selbst zusammen zucken.
Artemis dagegen spürte, wie seine eigene Kraft mit jedem weiterem Schlag
unaufhörlich mehr von ihm abließ. Seine Arme wurden schwerer und
die Fesseln an seinen Handgelenken schnitten tiefer in sein Fleisch, als er
schlaff angekettet an dem Holzpflock hängte. Er spürte plötzlich
nichts mehr, sein ganzer Körper fühlte sich taub an und schon im nächsten
Moment wurde ihm schwarz vor Augen und er sank in eine tiefe, traumlose Ohnmacht.
Drizzt schrie im gleichen Augenblick auf. Artemis hang in den Ketten und sein
Kopf sank nach weiteren Peitschenhieben bewusstlos zur Seite.
„NEIN!“, schrie der Waldläufer.
Dann hob Cassius zum ersten Mal seine Hand, um den Henker zu bedeuten, er solle
mit dem nächsten Hieb warten. Daraufhin kam ein älterer Mann auf das
Podest gestiegen und lief geradewegs auf den bewusstlosen Artemis zu. Er hob
eine Hand an Entreri’s Hals und überprüfte, ob er noch einen
Puls bei dem Mann feststellen konnte.
Drizzt schaute mit weit aufgerissen Augen dem älteren Mann zu, der wohl
ein Heiler sein musste. Als dieser mit dem Kopf schüttelte wusste er, dass
sein Geliebter immer noch lebte.
Augenblicklich wand er sich erneut im festen Griff der Männer. Doch das
brachte ihm nur ein, dass die Wachen ihren Griff um seine Arme nur noch verstärkten.
Dann gab Cassius dem Henker ein Zeichen, dass er mit dem Auspeitschen fortfahren
sollte.
Das war auch der Zeitpunkt, wo Jarlaxle hoffte, dass die Kräuter ihren
Zweck erfüllen würden.
Nach weiteren dreißig Schlägen wurde noch einmal der Puls von Artemis
überprüft. Wieder hoffte Drizzt innerlich, dass sein Geliebter stark
genug war, diese Qualen zu überleben. Er dachte stets daran, dass er nur
träumen und dann schweiß gebadet aufwachen würde, neben sich
den Mann, den er liebte. Dann erkannte er augenblicklich, wie der Heiler wieder
nur den Kopf schüttelte. Diese Geste machte Drizzt abermals Hoffnung.
Es folgten wieder dreißig weitere Peitschenhiebe und die Menschenmenge
zählte nun laut mit, bis Cassius erneut inne halten ließ, um überprüfen
zu lassen, ob der Meuchelmörder sein Leben ausgehaucht hatte.
Es wurde totenstill und Drizzt spürte, wie sein Herz förmlich stehen
blieb. Dann kam erneut der ältere Mann auf Artemis zu, der wie ein Häuflein
Elend an seinen Fesseln hing. Und diesmal nickte der Mann zufrieden Cassius
und der Menge zu.
“NEIN“, schrie in diesem Moment der junge Drow laut auf.
Jarlaxle ging zu seinem Freund hinüber und beide schafften es mit gemeinsamen
Kräften Drizzt von den Stadtwachen zu befreien. Doch es war zu spät.
Auch wenn sie jetzt niemand mehr aufhielt und sie auf das erhöhte Podest
und zu ihrem Freund hinauf rannten, sahen sie nur noch den leblosen Körper
von Entreri, der an seinen Fesseln hing.
Drizzt spürte, wie er den Halt unter seinen Füßen verlor und
auf seine Knie sank. Sein Gesicht vergrub er schmerzlich und voller Tränen
in den Händen. Jarlaxle kniete sich zum ihm hinunter und nahm den Waldläufer
zaghaft in seine Arme. Währenddessen jubelte und applaudierte die Menschenmenge
auf dem Marktplatz, dass der Meuchelmörder tot war. Es war zwar noch lange
nicht das Ende erreicht, aber selbst der Stadtmeister fühlte sich bei jedem
weiteren Schlag auf den leblosen Körper unwohl in seiner Haut.
Nach qualvollen Minuten hob Cassius seine Hand, um wieder Ruhe einkehren zu
lassen.
“Das Urteil ist vollstreckt. Der Meuchelmörder Artemis Entreri hat
seine gerechte Strafe erhalten“, rief der Stadtmeister in die Menge.
Diese schrie wiederum enthusiastisch. Er sah den jungen Drow, der zusammen gekauert
auf dem Boden lag und von seinem Dunkelelfenfreund festgehalten wurde.
Dann gab Cassius ein Zeichen und der Henker löste die Fesseln des toten
Körpers von Artemis und dieser sank schlaff auf den Boden des Podestes.
Im gleichen Augenblick löste sich der Waldläufer aus der Umarmung
seines Freundes und rutschte die zwei Fuß zu seinem Geliebten hinüber.
Drizzt schaute durch einen Tränenschleier auf seinen Freund hinab. Dieser
lag auf dem Rücken vor ihm und sein Kopf ruhte so, dass der Drow direkt
in das schmerzverzerrte Gesicht von Artemis sehen konnte, die grauen Augen waren
geschlossen. Im gleichen Moment überkam dem Elf eine erneute Welle der
Trauer. Er schluchzte auf. Mit seinen Händen strich er verzweifelt über
die Wangen seines Geliebten.
„Aufwachen Artemis. Komm wieder zu mir!“, flüsterte er verzweifelt.
Dabei beugte er sich nach vorne und gab Artemis einen Kuss erst auf die Stirn,
auf die Nase und zum Schluss auf dessen Mund. Dann schob er seinen Kopf zu dessen
Ohr und hauchte leise, „Ich liebe dich“.
Drizzt erhob sich danach wieder und flüsterte abermals, “Ich liebe
dich, vergesse es nie“.
Der junge Drow spürte plötzlich abermals einen Arm auf seiner Schulter
und als er seinen Kopf drehte, schaute er statt in die erhofften roten Augen
von Jarlaxle, in die blauen Augen von Catti-brie. Er erschrak.
“Lass mich sofort los! Fass mich noch einmal an und du bist so tot wie
Artemis. Ich will dich nie wieder in meinem Leben sehen. Du hast schon vor Jahren
einen anderen Mann mir vorgezogen und dann habe ich endlich meine eigene große
Liebe gefunden und du trägst die Schuld mit dran, dass ich sie verloren
habe. Er war ein anderer Mensch … jemand den du und dein Vater nicht akzeptieren
wolltet. Ihr habt Diana den Vater genommen und ich hoffe … ihr werdet
in den Neun Höllen schmoren“, schrie Drizzt sie aus Leibeskräften
an und schob grob den Arm der Frau von seiner Schulter.
Jetzt war es Catti-brie, die zusammenzuckte und ihr dabei augenblicklich die
Tränen in die Augen traten.
“Ich ….. es tut mir leid. Ich ….. wusste wirklich nicht, wie
…. wie viel dir dieser Mann bedeutete“, stammelte sie unter einem
Schluchzen hervor.
“Das wirst du jetzt auch niemals mehr tun können“, schrie er
sie erneut an und drehte ihr in diesem Moment den Rücken zu.
Bruenor und Regis standen immer noch unten auf dem Markplatz und schauten hilflos
der Szene zu, als der Waldläufer die Frau angefahren hatte.
Gleich darauf schaute Drizzt noch einmal zu dem leblosen Körper seines
Geliebten und drehte sich jwieder herum. Seine Augen funkelten vor Zorn und
Trauer und diesmal schrie er über den ganzen Markplatz Bruenor und Regis
an, „Ihr werdet niemals wieder mich und Diana sehen. So ein Abschaum wie
ihr nennt euch Freunde“.
Doch bevor die ganze Situation eskalierte, packte Jarlaxle nun seinen Freund
am Arm und flüsterte in Drizzt’s Ohr, „Komm schon, sie sind
es nicht wert“.
Diese Worte schienen den jungen Drow etwas zu beruhigen, denn er ließ
sich ohne umschweife von dem Dunkelelfen am Arm wegziehen, hinunter auf den
Marktplatz und hinaus aus der Stadt. Doch Drizzt schaute unter einem weiteren
Tränenschleier so lange wie möglich auf den anscheinend leblosen Körper
von Artemis. In den Augenwinkeln sah er, dass der Heiler von vorhin, Entreri’s
Körper mit einem weißen Tuch abdeckte und zwei Stadtwachen die Leiche
auf einen Karren hievten. Dann war er auch schon mit seinem Freund um eine Ecke
gebogen.
Erst als sich Jarlaxle sicher war, dass niemand mehr einen Blick auf die beiden
Dunkelelfen warf und sie sich in sicherer Entfernung zur Stadtmauer befanden,
blieb er plötzlich stehen. Drizzt, den er immer noch am Arm hielt, blieb
ebenfalls stehen. Verwirrt schaute er durch seinen Tränenschleier zu dem
Drow.
“Ich bitte dich jetzt inständig keine falsche Bewegung zu machen
und auch keine Regung zu zeigen, denn ich muss dir etwas sagen“, sprach
Jarlaxle in der Sprache der Drow zu seinem jüngerem Freund. „Artemis
ist nicht tot … wenn alles so funktioniert hat, wie ich es geplant habe,
dann ist jetzt Entreri in einem todesähnlichen Schlaf, der alle lebenswichtigen
Organe versorgt, aber für alle scheint er seinen letzten Lebenswillen ausgehaucht
zu haben. Und bevor du mir jetzt antwortest, höre gut zu“, sagte
der Drow hastig weiter. „Uns bleiben keine sechs Stunden mehr unsere Sachen
zu packen, Diana zu holen und Artemis Körper zu holen“.
Bei diesen Worten riss Drizzt seine Augen weit auf und verstand mit einem Mal
die Welt nicht mehr. „Er ist nicht tot?“, flüsterte er verwirrt
unter seinem Schluchzen Jarlaxle zu, wobei er nun auch die Sprache der Drow
benutzte.
“Wir gehen jetzt zusammen zu den Zwergen, werden Diana holen, packen unsere
Sachen und in spätestens fünf Stunden wirst du Artemis wieder in deinen
Armen halten können, das verspreche ich dir, mein Freund“, erwiderte
Jarlaxle und sein gewohnt listiges Grinsen erschien auf dessen Gesicht.
Danach griff er erneut fester nach Drizzt’s Arm und beide verschwanden
auf der Straße Richtung Norden zu Kelvin’s Steinhügel und zu
ihrer Höhle.
Der junge
Drow war den ganzen Weg zu Kelvin’s Steinhügel und zu ihrer Höhle
schweigsam. Er überlegte, ob er Jarlaxle richtig verstanden hatte und ob
er auch wirklich die Wahrheit sagte. Ihm gingen so viele Dinge durch den Kopf
und er wollte nichts sehnlicheres, als Diana jetzt fest in seinen Armen halten
und Artemis sehen. Und so verging die Zeit fast schon wie im Fluge während
er in Gedanken versunken neben Jarlaxle wanderte, und als der Waldläufer
jetzt aufblickte, standen sie bereits vor dem Eingang zu König Bruenor
Heldenhammer’s Feste.
“Ich werde Diana holen … warte du solange hier draußen“,
sprach ihn Jarlaxle von der Seite an.
“Ich werde dich begleiten … wir holen zusammen Diana. So schnell
wird mich hier niemand mehr sehen“, antwortete Drizzt seinem Freund.
“Wie du meinst“, kam die knappe Antwort des älteren Drow. Doch
er hatte die Befürchtung, falls sie Bruenor, Catti-brie oder Regis begegnen
sollten, dass die Situation eskalieren würde und Drizzt höchstwahrscheinlich
sogar in seiner Wut etwas ausplaudern könnte, was ihren geschundenen Freund
betraf.
Mit einem tiefen, aber deutlichen Seufzer legte Jarlaxle dem Waldläufer
einen Arm um die Schultern und schubste ihn sanft an, um ihm zu bedeuten, dass
sie sich in die Höhle des Löwen wagen würden. Dann kam ihm die
Idee, seinen Freund doch noch ablenken zu können.
“Drizzt … wir müssen auch noch unsere Sachen aus der Höhle
heraustragen. Wie wäre es denn, wenn du es machen würdest. Somit sparen
wir Zeit, die wir dringend benötigen, meinst du nicht auch?“, sprach
Jarlaxle schnell und benutzte dabei wieder die Sprach der Drow, damit niemand
ein Wort verstehen konnte, falls ungebetene Zuhörer in ihrer Nähe
sein sollten.
Der Waldläufer blieb abrupt stehen und schaute dem Dunkelelfen in die Augen.
Er war so durcheinander, dass er nicht mehr wusste, was er denken oder fühlen
sollte. Auf der einen Seite war seine unsagbare Wut auf seine früheren
Freunde tief in seinem Inneren und auf der anderen Seite gleichzeitig die Angst
um seinen geliebten Artemis. Oder war es sogar möglich, dass sein Freund
noch etwas ausheckte und es still und heimlich über die Bühne bringen
wollte? Nein, sagte ihm sein Bauchgefühl, Jarlaxle hatte wirklich Recht.
Je schneller er hier von diesem Ort und seinen verräterischen Freunden
verschwinden würde, desto schneller wäre er wieder bei seinem Geliebten,
der auf ihn wartete.
“Xas“, lautete jetzt die knappe Antwort von Drizzt und sprach ebenfalls
wieder in der Sprache der Dunkelelfen und meinte damit „Ja“.
Jarlaxle lächelte ihn beruhigt an und er war froh, dass doch noch alles
nach seinem Plan verlaufen würde und so verließ er auch kurz darauf
den Waldläufer und verschwand im Inneren der Zwergenfeste.
Drizzt ging zur ihrer Höhle, die früher sein zu Hause war und wollte
sich eigentlich beeilen, aber als er durch dein Eingang trat, holten ihn augenblicklich
die Erinnerungen wieder ein. Alles lag noch so da, wie sie es vor zwei Tagen
verlassen hatten, als sie sich überstürzt auf die Suche nach Artemis
machten. Eine Welle aus Trauer, Wut und Enttäuschung brach über dem
Drow zusammen und er musste sich an einer Höhlenwand festhalten, als wieder
die Tränen in seine Augen traten. Er dachte an das Ereignis, was Entreri
erst dazu veranlasste so unüberlegt zu handeln und dass es seine früheren
Freunde waren, die dazu beigetragen hatten alles zu ihrem Vorteil heraus zu
schlagen. Dann sah er Artemis schlaff und ohnmächtig an den Ketten hängen,
sein Rücken aufgerissen und blutend. Dieses Bild ließ Drizzt zusammen
sacken. Er stützte sich weiterhin zur Seite hin an der harten Steinwand
ab und kniete sich auf den Boden. Vor ihm lag sogar die Wolldecke, mit der Artemis
sich immer zudeckte und er griff nach ihr. Der junge Drow nahm sie in seine
Hand und roch an ihr, sie hatte den unverwechselbaren Geruch nach dem Mann,
den er liebte. Und so begann er, langsam und ganz sachte den Stoff zu streicheln
und in seinem Kopf stellte er sich vor, es wäre Artemis.
Nach etlichen Minuten konnte sich Drizzt erst wieder beruhigen und die Wut auf
Bruenor, Catti-brie und Regis stieg abermals in ihm auf. Ihn überkam das
ganz dringende Bedürfnis hier für immer seine Zelte abzubrechen und
nie wieder zurückzukehren. Bald, wenn Jarlaxle Recht hatte, würde
er wieder seinen Liebsten in die Arme schließen und glücklich mit
ihm und Diana zusammen leben können. Das veranlasste den jungen Dunkelelfen
sich endlich aufzurichten und in Windeseile ihre Habseligkeiten einzusammeln
und diese in ihren Rucksäcken zu verstauen.
Voll bepackt kam er dann nach fast einer halben Stunde zu der Stelle, wo er
Jarlaxle verlassen hatte und sah diesen zusammen mit Diana schon aufgeregt warten.
“Wo warst du denn so lange?“, wollte der Söldner wissen und
machte in der Luft eine Geste mit der Hand, dass er sich beeilen sollte.
“Es tut mir leid“, antwortete Drizzt kurz und versuchte dabei die
drei prall gefüllten Rucksäcke, sowie Artemis Waffen an ihren bereits
gesattelten Pferden zu befestigen, die Jarlaxle schon von der Weide geholt hatte.
Diana spielte stattdessen ganz unbeirrt auf der Wiese und war schon ganz aufgeregt,
als ihr Onkel ihr versicherte, dass sie gleich wieder auf einem Pferd reiten
durfte.
“Wir müssen uns beeilen“, sprach Jarlaxle und war gerade im
Begriff auf sein Reittier zu steigen, da vernahm er eine Frauenstimme.
“Bitte Drizzt“, rief es hinter dem Rücken von den beiden Drow
und der kleinen Diana. Es war Catti-brie, die aufgeregt und völlig aufgelöst
aus dem Eingang zur Zwergenfeste hinaus getreten kam. „Bitte Drizzt …
es tut mir leid … das musst du mir glauben“, stotterte sie unter
einem Schluchzen.
Der junge Drow drehte sich auf der Stelle um und sah in ihre Augen, die vom
Weinen gerötet waren.
“Lass mich, meine Freunde und Diana in Ruhe“, fuhr er sie unverblümt
an.
Doch Jarlaxle hatte Angst, dass sein Freund in einem erneuten Wutanfall etwas
über ihren Plan aussprechen könnte, ließ sein Pferd stehen und
stellte sich zwischen die Beiden.
“Drizzt, lass sie einfach … sie sind es doch gar nicht mehr Wert,
dass du überhaupt noch mit ihnen ein Wort wechselst. Lass uns hier verschwinden“,
versuchte er zu schlichten.
Der Junge Drow sah aus, als würde er über diese Worte nachdenken und
atmete tief ein und aus.
“Ich bitte Euch, nehmt wenigstens einer meiner Planwagen“, erklang
gleich darauf eine weitere Stimme. Es war Bruenor Heldenhammer, der hinter seiner
Adoptivtochter hervor trat. „Wir haben vermutlich wirklich einen Fehler
begangen, auch wenn ich es bis jetzt nicht verstehen kann. Das Einzige was ich
möchte, nehmt einen meiner Wagen und wenn es nicht für Euch ist, dann
wenigstens für das Kind“, sprach Bruenor hektisch weiter, weil er
Angst hatte, der Elf würde erneut wieder laut seine Wut hinaus schreien,
ohne jemals seinen Vorschlag gehört zu haben.
Bevor noch Drizzt etwas erwidern konnte war es Jarlaxle der antwortete, „Wir
sollten Danke sagen, aber dieses Wort klingt in der Sprache der Oberfläche
wie eine Lüge. Wir werden ihn nehmen und freuen uns darauf, nie wieder
einen von Euch sehen zu müssen“.
Daraufhin erschien ein sarkastisches Lächeln auf seinen Lippen und er wandte
sich zu Drizzt um. Er gab ihm mit einer kleinen Geste seiner Hand zu verstehen,
er solle einfach nur seine Entscheidung hinnehmen und Ruhe bewahren.
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